Air Berlin

Im Gespräch - Eigenverwaltung alternativlos

Air Berlin ist nach 39 Jahren Geschichte, große Teile der ehemals zweitgrößten Airline Deutschlands gehen vorbehaltlich der Zustimmung der Kartellbehörden für 210 Mio. Euro an die Lufthansa, auch easyJet hat ein Paket für 40 Mio. Euro erworben sowie weitere Bieter haben Zuschläge erhalten. Man rechnet damit, dass 4300 von 8000 Arbeitsplätzen erhalten bleiben könnten. Das AG Charlottenburg hat das Verfahren über die drei Gesellschaften am 01.11.2017 in Eigenverwaltung (EVW) eröffnet. Das Damoklesschwert der Masseunzulänglichkeit schwebt nun über dem Verfahren, bis die Kaufsummen geflossen sind. Der KfW-Kredit von 150 Mio. Euro soll zusätzlich mit Sicherheiten verknüpft sein. Peter Reuter fragte Sachwalter RA Prof. Dr. Lucas Flöther und Generalbevollmächtigten RA Dr. Frank Kebekus, wie es zur jeweiligen Einsetzung kam, was für die EVW gesprochen hat und wie es ohne gewährten KfW-Kredit ausgesehen hätte.

INDat Report: Am 15.08.2017 haben die Fluggesellschaft Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs AG und ihre persönlich haftende Gesellschafterin beim AG Charlottenburg Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in EVW gestellt. Das Gericht hat die vorläufige EVW angeordnet und Sie, Herr Flöther, als vorläufigen Sachwalter eingesetzt. Wann sind Sie, Herr Kebekus, angesprochen worden, ob Sie als Generalbevollmächtigter oder CRO zur Verfügung stehen?

Kebekus: Am späten Abend des 11.08.2017 haben mir Berater der Air Berlin PLC mitgeteilt, dass sie wohl einen Insolvenzantrag stellen müssten, die EVW anstrebten und gefragt, ob ich bereit sei, die Funktion als Generalbevollmächtigter oder CRO zu übernehmen. Ich bevorzuge in der EVW immer die Rolle als Generalbevollmächtigter, weil für diese operativen Tätigkeiten die Organstellung nicht notwendig ist. Mit der Antragsvorbereitung waren BRL und Freshfields bereits betraut. Ab 12.08.2017 war ich bei Air Berlin mit zuständig für u. a. die Verhandlungen mit Bundesverkehrs- und Bundeswirtschaftsministerium zum Massedarlehen und den Abschluss des KfW-Kredits, den M&A-Prozess und die Verhandlungen u. a. mit der Lufthansa bis zum Signing sowie die Behandlung der Tochtergesellschaften.

INDat Report: Wann sind Sie als vorläufiger Sachwalter ins Gespräch gebracht worden und wie wichtig ist es, dass sich Sachwalter und Eigenverwalter, hier der aktuelle und vormalige Sprecher des Gravenbrucher Kreises, gut kennen?

Flöther: Ich bin ganz kurzfristig parallel zur Anfrage des Kollegen Kebekus von Beratern des Air-Berlin-Managements kontaktiert worden, ob ich Kapazitäten hätte. Dann hat mich die Schuldnerin mit einstimmigem Votum des präsumtiven Gläubigerausschusses beim Gericht vorgeschlagen. Wir sind beide gefragt worden, ob man sich diese Konstellation vorstellen könne, wobei wir noch in keinem Verfahren zusammengearbeitet hatten. Ohne ein gewisses Grundvertrauen kann eine Sanierung in der EVW nicht gelingen.

INDat Report: Den drei vorläufigen Gläubigerausschüssen gehören u. a. die Commerzbank AG, die Bundesagentur für Arbeit, ein Beschäftigtenvertreter und RA Niklas Lütcke für die Kleingläubiger sowie WP Arndt Geiwitz als Vertreter der Eurowings bzw. der Lufthansa-Technik an. Air Berlin hatte vier Anleihen und vier Wandelanleihen von insgesamt 1393,1 Mio. Euro begeben, wie sieht es mit einem Anleihevertreter aus?

Kebekus: Die Anleihen hängen an der PLC, für die RA Markus Kienle als Vertreter in den vorläufigen Gläubigerausschuss berufen worden ist. Bis auf eine Anleihe unterliegen alle Anleihen und Schuldscheine englischem Recht. Für die eine wird ein gemeinsamer Vertreter gem. SchVG in einer einzuberufenden Anleihegläubigerversammlung gewählt.

INDat Report: Was sprach bei Air Berlin für die EVW und welche Konsequenzen hätte ein Regelverfahren bedeutet?

Kebekus: Es ist hierzulande noch nie gelungen, eine Airline nach Antragstellung in der Luft zu halten, normalerweise ist die Antragstellung gleichbedeutend mit Grounding, was mit dem Zulassungs- und Genehmigungsverfahren beim Luftfahrtbundesamt (LBA) zusammenhängt. Daher war es für das LBA wichtig, dass wir Air Berlin in der EVW fortführen und einen geordneten Übergang möglichst großer Geschäftsteile vornehmen wollten. Auch beim KfW-Kredit war die Eigenverwaltung ein wesentlicher, vertraglich festgehaltener Gesichtspunkt.

Flöther: Auch wenn klar ist, dass es keinen Insolvenzplan gibt, sieht die InsO die EVW vor, wenn die Gläubiger dafür einstimmig votieren. Nun hat sich der vorläufige Gläubigerausschuss auch einstimmig für die Fortsetzung der EVW im eröffneten Verfahren ausgesprochen. Damit waren die Weichen hinsichtlich der Verfahrensart gestellt.

INDat Report: Wie einzigartig war der mit einer Bundesbürgschaft versehene KfW-Kredit von 150 Mio. Euro und was wäre geschehen, hätte es diesen nicht gegeben?

Kebekus: Der KfW-Kredit war in mehrfacher Hinsicht einzigartig: der hohe Betrag, die schnellen Verhandlungen in den Ministerien und die zügige Genehmigung in Brüssel. Kritikern des Darlehens muss man sagen: Schaut euch die Pleite der britischen Airline Monarch an, die sofort den Flugbetrieb eingestellt hat. Die Rückholaktion der Passagiere musste die britische Regierung finanzieren. Bei uns geht das KfW-Darlehen eins zu eins zurück mit einem Zinssatz von 10 %.

Flöther: Ohne das Darlehen wäre es zur unvermittelten und gläubigerschädigenden Zerschlagung gekommen, denn das Vermögen von Air Berlin bestand im Wesentlichen aus Drittrechten. Und nicht zuletzt: Der KfW-Kredit hat dazu beigetragen, dass mehrere Tausend Jobs erhalten bleiben konnten und für weitere zahlreiche Mitarbeiter der Übergang in eine Transfergesellschaft (TG) möglich war.

Kebekus: Noch etwas zu den Berichten über die TG: Will man das Glas halb leer oder halb voll sehen? Zusammen mit dem Land Berlin hat AB eine TG für 1200 Beschäftigte, das gesamte Bodenpersonal mit Verwaltung, geschaffen, eine weitere wird für die 800 Angestellten der airberlin technik eingerichtet. Das sind Mitarbeiter, die es auch nach Aussagen der Gewerkschaften auf dem Arbeitsmarkt schwerer haben werden als das fliegende Personal.

INDat Report: Zu den Übernahmeangeboten ist viel berichtet worden, von dem Interesse der Ryanair über Offerten prominenter Unternehmer bis zur Präferenz für Lufthansa …

Flöther: Es gab eine Vielzahl von Angeboten, wir waren bei diesen Gesprächen dabei, ob mit den Herren Wöhrl, Lauda oder Claassen. Als es dann bis zum Stichtag am 15.09.2017 die verbindlichen Angebote gab, es waren unter zehn, haben wir diese mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss im Hinblick auf Massezufluss und Joberhalt diskutiert. Die Angebote der Lufthansa und von easyJet waren eindeutig objektiv die besten, mit diesen haben wir dann bevorzugt verhandelt. Manche Interessenten haben unspezifisch von Gesamtübernahme gesprochen, das wäre natürlich eine Traumlösung gewesen. Wir haben immer ergebnisoffen verhandelt, doch es gab dazu keine ernstzunehmenden und belastbaren Angebote.

INDat Report: Was war schädlicher: Das Sick-out der AB-Piloten am 12.09.2017 oder die bis zu 4,5 Mio. Euro hohe Bankgarantie des Gehalts von CEO Thomas Winkelmann?

Kebekus: Das Sick-out der Piloten war so etwas von unsinnig. In der extrem schwierigen Phase brauchten wir intern keine neue Baustelle, die dem Image und den Kunden geschadet hat. Die Absicherung der Bezüge mit der Bankgarantie hat nicht die spätere Masse geschädigt und keinen Einfluss auf die Quote, sondern die Gesellschafter hatten Herrn Winkelmann abgesichert. Wenn jemand den LH-Konzern verlässt und im Februar 2017 mit dem Auftrag zu Air Berlin geht, das Unternehmen zu verkaufen – dass der dann ein gewisses Absicherungsbedürfnis
hat, finde ich nicht verwerflich.

Das Insolvenzgericht Charlottenburg hat zur Vermeidung von Interessenkollisionen am 02.11.2017 RA Dr. Rainer Eckert zum Sonderinsolvenz verwalter bzw. Sondersachwalter für drei Gesellschaften der Air Berlin Gruppe (Air Berlin PLC, airberlin technik GmbH und Air Berlin 5. LeaseLux S.à.r.l.) bestellt. «

Quelle: INDat Report 08_2017

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